Die fünf alten Grabplatten von Hörnerkirchen

Nach mehrjähriger Planungsphase konnte unsere Kirchengemeinde das Projekt der historischen Grabplatten auf dem alten Friedhof um die Kirche zu Hörnerkirchen erfolgreich abschließen.

Dank der professionellen Unterstützung von Dipl.-Ing. und Architekt Dirk Salehi-Jens (KGR-Mitglied) ist eine einvernehmliche Einigung mit dem Landeskirchenamt für Denkmalpflege erzielt und somit eine große Hürde genommen worden. Frau Ute Preuß vom Kirchlichem Verwaltungszentrum in Itzehoe stand uns mit ihrer Fachkompetenz ebenfalls hilfreich zur Seite.

Als finanzielle Unterstützung erhielten wir eine anonyme Spende, für die wir sehr dankbar sind.

Begleitet wurde das Projekt von Pastor Dr. Ulrich Palmer, Pastorin Petra Steltner, Helmut Trede (Historiker), Harry Unger (ehemaliges KGR-Mitglied), Sönke Mier (Vorsitzender des KGR) und Ute Pump (KGR).

Das Team der Firma Hauke Ahsbahs (LKD) aus Bokel hat die erforderlichen Arbeiten großartig ausgeführt.

Der folgende, erläuternde Text wurde uns von Helmut Trede zur Verfügung gestellt.

Dorfkirchen sind die Edelsteine unserer Kulturlandschaft.
Sie geben Orten und Regionen ein unvergleichliches Gesicht.

Zu diesem unvergleichlichen Gesicht zählen auch die Kirchhöfe, die Friedhöfe. In früherer Zeit lagen die Begräbnisstätten der Menschen meist direkt um die Kirchen herum, auf dem Hof der Kirche, daher der Name Kirchhof. Auch in Hörnerkirchen war dies der Fall. Das von Linden und einer Feldsteinmauer umsäumte, annähernd quadratische alte Friedhofsgelände befand sich direkt um das zentrale achteckige Kirchengebäude. Jede Dorfschaft des Kirchspiels hatte auf dem Friedhofsgelände ihren zugehörigen Platz und jede der eingesessenen Familien hatte hier ihre eigene Grabstelle. Dieser alte Friedhof wurde bis zum Jahre 1893 benutzt, dann war er belegt, und es wurde etwa 1 km weiter südöstlich beim Blocksberg eine neue Begräbnisstätte angelegt. 

Die auf dem Gelände heute noch vorhandenen fünf Grabplatten aus Sandstein gehören zu den letzten Relikten des alten Hörnerkirchener Kirchhofes. Sie sind unregelmäßig auf dem Gelände verteilt. Witterungseinflüsse haben im Laufe der Zeit die Inschriften stark angegriffen und oftmals fast unleserlich gemacht. Die vollständige Entzifferung sowie die schriftliche und fotografische Dokumentation der Grabplatten ist daher ein unschätzbarer Beitrag zum Erhalt der Erinnerung an die Bewohner vergangener Epochen. Die Grabplatten sind damit nicht nur ein Kulturdenkmal, sondern gewissermaßen auch ein winziges steinernes Archiv des Lebens und Wirkens dieser Menschen und ihrer Familien. 

Alle fünf Grabplatten stammen aus der ersten Phase nach dem Kirchenbau, also aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie sind wertvolle Zeugnisse der Grabmalkultur dieser Epoche. Es sind die steinernen Zeugen einer fernen Zeit und damit direkt erlebbare Geschichte. Die stattliche Größe der Grabsteine/Grabplatten und ihr äußeres Erscheinungsbild sind zugleich ein Hinweis auf die Bedeutung und den Wohlstand der jeweiligen Familien zu damaliger Zeit. Es handelt sich bei den Grabstelleninhabern ausschließlich um die Besitzer von großen Bauernhöfen (Vollhufen /volle Bauhöfe) aus dem hiesigen Raum.

Friedhofskultur

Historische Friedhöfe erzählen nicht nur von der Vergangenheit, sondern bieten Geschichtsträchtiges vor der eigenen Haustür. Man muss also nicht die unbedingt die ägyptischen Pyramiden oder das römische Kolosseum besuchen, um in die Vergangenheit einzutauchen. Der Gottesacker vor der eigenen Haustür, in unserem Falle der örtliche Kirchhof, hält mindestens ebenso viele spannende Geschichten bereit. Das beginnt schon beim Begriff. Gottesacker – wer die heute kaum noch gebräuchliche Bezeichnung für den Friedhof hört, gerät nahezu automatisch ins Grübeln, was damit gemeint sein könnte. Tatsächlich entstammt der Begriff dem 16. Jahrhundert, als die Bevölkerung wuchs und die Begräbnisstätten, zumindest die des gemeinen Volkes, zunehmend vor die Tore der Städte und Orte wanderten – auf Ackerland, das fortan Gott geweiht war. Auf oder neben diesen Friedhöfen lebten damals die Totengräber der Städte, buchstäblich am Rande der Gesellschaft. Der meist karge Aufwuchs des Gottesackers stand ihnen zu und diente den wenigen Schafen, Ziegen, Rindern oder Schweinen, die sie hielten, als dürftige Nahrungsgrundlage.1

Bei uns im relativ kleinen Kirchspiel Hörnerkirchen sind Totengräber bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hingegen nicht nachgewiesen. Offenkundig hoben bis dahin die Angehörigen oder Nachbarn des Verstorbenen selbst die Grube für den Leichnam aus, denn noch 1749 hieß es in einer Absichtserklärung der Eingesessenen: „Wir wollen das [Glocken-]Läuten und Kuhlen-Graben unter uns behalten.“ Erst 1833 ist ein um seine Entlassung nachsuchender Totengräber erstmals dokumentiert.2 Neben dem Friedhof, dem Kirchhof, lebten und wohnten bei uns in Hörnerkirchen Pastor und Küster. Ihnen stand das Recht zu, die Grasflächen des Kirchhofes zu nutzen, das heißt, das vorhandene Gras zu mähen oder es mit ihren eigenen Tieren beweiden zu lassen. Dies war ein Teil der Einkommenssicherung, schließlich waren sie, genauso wie die Schullehrer seinerzeit, vorwiegend Selbstversorger. Aber auf dem Kirchhof wuchs nicht nur Gras, sondern auf und neben den Gräbern befanden sich sicher auch wilde Himbeeren, Brombeeren, Wildblumen und Kräuter. Lange Zeit war dieser Zustand gesellschaftlich akzeptiert, denn die Grabstätten bestanden lediglich aus aufgeworfenen Erdhügeln, vielleicht noch mit einem Kreuz versehen, sonst aber schmucklos. Symbolträchtige Pflanzen und andere ehrende Andenken wurden den Toten, wenn überhaupt, als Grabbeigaben direkt zur Seite an den Sarg gelegt – ein Ritual, das schon in früheren Kulturen  üblich war, man denke nur an die mit Beigaben so reich ausgestatteten Pharaonengräber.

Erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich allmählich auch beim gemeinen Volk das Bedürfnis, die Gräber zu schmücken. Dazu gehörten nicht nur Grabsteine oder Grabplatten, sondern auch Pflanzen und Blumen. Die symbolträchtigen Pflanzenarten blieben dieselben, wanderten aber sozusagen nach oben. Damit die weidenden Tiere von Pastor und Küster den Grabschmuck nun nicht einfach abfraßen, zäunten die Hinterbliebenen die Gräber ein. Im 18. Jahrhundert anfangs mit einer Kette, die an vier Pfosten befestigt wurde oder mit hölzernen Staketenzäunen. Im 19. Jahrhundert kamen zunehmend gusseiserne Metallgitter in Gebrauch. Diese wurden später im 1. Weltkrieg – das ist wenig bekannt – vielfach zwangsweise beschlagnahmt und zur Waffenproduktion eingeschmolzen. Sie erlitten also das gleiche Schicksal wie oftmals die Kirchenglocken. Die Schmückung und Bepflanzung der Gräber, wie wir sie heute kennen, ist also relativ neu, und auch sie ist einem ständigen Wandel unterworfen und spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen wider. Man denke nur an die zunehmenden Urnenbestattungen, die anonymen Beerdigungen, sowie See- und Waldbestattungen.

Lageskizze: Helmut Trede

Grab 1 – Grabstein Hinrich und Anna Mohr, Bokelsess
(Lt. „Höferegister Mohr“3 bezogen auf Hof Nr. 672, heute Fam. Winter, Bokelsess)

Hinter dem Glockenstuhl, rechts am Weg zum Kircheneingang befindet sich die große Grabplatte (225 cm x 145 cm) der Bokelsesser Eheleute Hinrich Mohr (*19. April 1707  † 22. Juli 1785) und Anna Mohr geb. Lenter aus Groß Offenseth (*10. Mai 1712  † 29.09. 1790).  Sie waren Besitzer eines vollen Bauhofes, eines mit gewissen Dienstbefreiungen versehenen „Freibauernhofes“.4 Sie heirateten am 15. Oktober 1730 und hinterließen neben vier weiteren Kindern die beiden Söhne Lüder (er hatte einen Zwillingsbruder namens Claus) und Hinrich, die am 12. November 1781 für ihre Eltern diesen Stein legten mit der fast humorvollen Inschrift: Sie haben in ihre vergnügte Ehe zusammen gezeuget 2 Söhne. Der vollständige Grabspruch lautet wörtlich:

Grabstädte der entseelten Gebeine
Hinrich Mohr ist gebohren Ao 1707 d. 19. April,
die Mutter Anna Mohr Ao 1712 d. 10. May gebohren
zu grossen Offenseth, in ihre vergnügte Ehe zusammen gezeuget
2 Söhne mit nahmen Lüder Mohr und Hinrich Mohr,
haben diesen Stein gelegt d. 12. November Anno 1781

Ich habe einen guten Kampf gekämpffet, ich habe den Lauff vollendet,
ich habe Glauben gehalten.
Hinfort ist mir beygelegt die Krone der Gerechtigkeit
welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter,
geben wird, nicht mir aber allein, sondern auch allen,
die seine Erscheinung lieb haben.
2. Timoth. 4 V. 7, 8. 

Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben von nun an.
Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit denn ihre Werke folgen ihnen nach.
Off. Joh. 14 V. 13

J .D. Langmack Fecit [geschaffen von]

Unklar bleibt bei dieser Inschrift, warum gerade die zwei Söhne Lüder (*1.1.1735) und Hinrich (*19.9.1752) den Stein hier im Jahre 1781 auf dem Kirchhof legen ließen. Die übrigen vier Kinder von Hinrich und Anna Mohr sind nicht erwähnt. Ebenso ungeklärt bleibt die Frage, warum dieser Stein schon zu Lebzeiten der Eltern, mehrere Jahre vor ihrem Tode, gelegt wurde. Alle Vorbehalte unter der Prämisse, dass die Angaben und Daten im „Höferegister Mohr“ zutreffend sind und außerdem keine Lesefehler beim Grabstein entstanden sind.

Grab 2 – Grabstein der Eheleute Hinrich und Gesche Kruse, Westerhorn
(Nach dem „Höferegister Mohr“ bezogen auf Hof Nr. 753, Hof Wickhorst]

Der Grabstein (185 cm x 115 cm) von Hinrich und Gesche Kruse aus Westerhorn liegt hinter dem Glockenstuhl links vom Weg zum Kircheneingang. Hinrich Kruse II war Besitzer eines vollen Bauhofes. Er wurde am 30. Januar 1679 geboren und starb am 9. Dezember 1767 im Alter von 88 Jahren und 11 Monaten als Abschiedsmann. Er heiratete am 21. Oktober 1703 Gesche geb. Lohmann ebenfalls aus Westerhorn (* 17.12. 1680), von Hof Nr. 748 (später Fam. Frank). Sie hatten vier Kinder. Der jüngste Nachkomme war Hinrich Kruse III, der spätere Hofnachfolger, der auf dem nachfolgenden, ganz in der Nähe befindlichen Grabstein aufgeführt ist.

Grabspruch:

Hier ruhen in Gott die beyden Ehe-Leute Hinrich Kruse
und dessen Frau Gesche Krusens aus Westerhorn.
Sie haben gegrünet und geblühet bis in ihren Alter
und sind gestorben wie der Alt-Vater Abraham I. B. Mos. V. 7, 8
und ruhen in ihrem Theil bis auf die Zukunft unsers Erlösers Jesu Christi.
A. C. 1767

Grab 3 – Grabstein Hinrich Kruse und Christina geb. Mohr, Westerhorn
(Der gleiche Hof Nr. 753 wie oben, Fam. Wickhorst)

Dieser sehr große Grabstein (230 cm x 158 cm), etwas versetzt in Richtung Feldsteinwall, erinnert an die entseelten Gebeine des Vollhufners Hinrich Kruse III (* 27. Mai 1721  † 13. Dezember 1776), Sohn des oben genannten Hinrich Kruse II und dessen Ehe-Liebste die Ehr und Tugendsame Christina Kruse geb. Mohr (* 25. Juni 1724  † 11. Dezember 1802), Hörnerkirchen, Hof Nr. 821 (Haus gegenüber dem Marktplatz, 1954 abgebrochen) die er 1749 heiratete. Kinder sind nicht genannt. Seine Witwe ging 1785 eine zweite Ehe ein.

Grabspruch:

Grab Stätte der entseelten Gebeine weiland Hinrich Kruse
gebohren in Westerhorn Anno 1721, den 2. Junius,
gestorben Anno 1776, den 13. Dec.
und dessen Ehe-Liebste, die Ehr und Tugendsahme Frau Christina Krusen
gebohrne Mohren, gebohren Anno 1724, den 25. Junius
gestorben Anno 1802, den 11 dec.

Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauff vollendet,
ich habe Glauben gehalten.
Hinfort ist mit beygelegt die Crone der Gerechtigkeit,
welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird,
nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.

2. Timotheum am 4. Kapitel V. 7 und 8

Fecit J. D. Langmack

Vertrauter Grabspruch
Der obige Grabspruch scheint vom 17. bis ins 18. Jahrhundert oft in Anspruch genommen worden zu sein, so auch bei dem nur knapp 20 m entfernt liegenden Grabstein (Grab 1) von Hinrich und Anna Mohr aus Bokelsess (s. o.). Es handelt sich um ein Bibelzitat aus dem 2. Brief des Apostels Paulus an Timotheus, 4. Kapitel, Vers 7 und 8.

Dieser prägnante Sinnspruch findet sich wiederholt selbst bei adligen Personen. Zum Beispiel ist er in der Rantzau-Gruft der St. Laurentii-Kirche in Itzehoe dokumentiert, nämlich in Gruft 6 / Sarg 6 (Dorothea zu Rantzau) und in Gruft 7 / Sarg 8 (Ritter Detlef Rantzow auf Panker).5

Ferner schmückt er beispielsweise als Inschrift ein Medaillon auf dem Sarg der aus einem mecklenburgischen Adelsgeschlecht stammenden Friderica von Saldern-Günderoth geb. von der Kettenburg (12.3.1740-6.4.1793). Der Holzsarg befand sich ursprünglich in der Erbbegräbnisstätte ihres Schwiegervaters, des bekannten Politikers in herzoglich-holsteinischen, dänischen und russischen Diensten, Caspar von Saldern, in einer Grabkapelle an der Bordesholmer Stiftskirche. 2011 wurden die in Holzsärgen bestatteten Nachkommen des v. Saldern auf den Friedhof umgebettet.6

Grab 4 – Grabplatte der Familien Hein und Kröger, Osterhorn
(Nach dem „Höferegister Mohr“ ist der Grabstein bezogen auf den Hof Nr. 689 in Osterhorn, heute Familie Kröger)

Diese große Grabplatte (190 cm x 130 cm) liegt nördlich der Kirche in Richtung Küsterhaus/Kindergarten etwas schräg an einem Baum. Im oberen Teil verweist die Grabplatte auf den Vollhufner Johann Hein I in Osterhorn. Er wurde geboren am 7. Mai 1685 und verstarb am 4. August 1770 im Alter von 85 Jahren. Er stammte aus Dägeling und heiratete am 9.10.1712  Metta Jensen (* 24.09. 1681 †  06.03. 1740). Sie hatten fünf Kinder.

Eine zweite Ehe ging Johann Hein I etwa ein Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau am 02.05.1741 mit der Witwe Margaretha Harder (†  13.06.1769) ein. Weitere Angaben über die beiden Frauen sind nicht zu finden.

Die Grabschrift lautet:

MEMENTO MORI
HODIE MIHI CRAS TIBI

(Bedenke, dass Du sterben musst!
Heute mir, morgen Dir
Was heute mir geschehen, wird morgen Dir geschehen; nämlich Sterben)

HIER RUHET DER VIEL EHR UND
TUGENDSAME JOHANN HEIN
GEBOHREN Ao 1685 D. 7. MAI
GESTORBEN Ao 1770 DEN 4. AUG.
GRABSCHRIFT
 

SCHAU MEIN FREUND UND THU ES LESEN,
WAS DU BIST BIN ICH GEWESEN.
ICH BIN STAUB UND DU BIST ERDE.
WAS ICH BIN, DAS MUSST DU WERDEN.

Johann Hein hinterließ noch ein weiteres deutliches Erinnerungszeichen: Er spendete für die Kirche in Barmstedt eines von den vielen Bildern, die sich an der östlichen Empore befinden. Dort ist auch sein Name verewigt. Der Text zu diesem Gemälde:

„Der Glaub hat nie zuviel auf Gottes Wort gewagt / Maria spricht getrost, ich bin des Herrn Magd.“

Im unteren Bereich der Grabplatte bezieht sich die Inschrift auf den im Alter von 87 Jahren verstorbenen Vollhufner Peter Kröger (* 11. Februar 1771  † 30. September 1858) in Osterhorn. Er stammte aus Bokelsess (Hof Nr. 676, Fam. Averhoff) und kaufte 1833 den vollen Bauhof in Osterhorn von der oben genannten Familie Hein für 4.850 Mark Courant. Er war verheiratet mit Ida Stahlbock, Westerhorn (Hof Nr. 773, später Fam. Wieckhorst), * 02.12. 1790 † 18.05.1871. Sie hatten einen Sohn, der später Hofnachfolger wurde.

Grabschrift:

HIER RUHET DER VOLLHUFNER
PETER KRÖGER IN OSTERHORN, GEBOREN 1771, DEN 11. FEBRUAR,
 GESTORBEN 1858, DEN 30.ten SEPTEMBER.
ALT 87 Jahr.

Bei den beiden auf dieser Grabplatte genannten männlichen Verstorbenen handelt es sich um die jeweiligen Besitzer dieser Vollhufe in Osterhorn zu unterschiedlicher Zeit. Der Hof wurde 1712 von dem oben genannten Johann Hein aus Dägeling erworben und blieb lange Zeit in Familienbesitz. Nach etwa 120 Jahren und fünf Besitzerfolgen später (1833) kaufte der weiter unten genannte Peter Kröger aus Bokelsess das Anwesen. Ungewöhnlich ist, dass beide Besitzer offenkundig weder verwandt noch verschwägert waren und trotzdem gemeinsam auf einem Familiengrabstein verewigt wurden, wobei der letztgenannte Besitzer offenkundig nachgetragen wurde. Es ist also eher eine Art „Hofgrabstein“. Die jeweiligen Ehefrauen sind auf der Grabplatte nicht aufgeführt.

Grab 5 – Grabplatte Mohr, Brande
(Nach dem „Höferegister Mohr“ ist der Grabstein bezogen auf den Hof Nr. 790 in Brande, heute Familie Schümann. Der genannte Hinrich Mohr I stammte ursprünglich aus Bokelsess vom Hof Nr. 671, hier später Fam. Harder/Möller)

Diese Grabplatte aus Sandstein (194 cm x 109 cm) dürfte die älteste auf dem Friedhof sein,7 die Inschrift ist kaum noch leserlich. Sie verweist auf den Hufner (Landwirt) Hinrich Mohr aus Brande, der nach dem älteren Forschungsstand im Jahre 1702 verstorben sein soll. Die Grabplatte befindet sich östlich der Kirche auf der gegenüberliegenden Seite des Haupteinganges. Der entzifferte Text in der bisherigen Deutung:

Hier ruhet in Gott se. Hinrich Mohr. In Brande gestorben Ao 1702.

Es ist jedoch zu konstatieren, dass im Jahre 1702 im Sterberegister der Kirchengemeinde Barmstedt kein Hinrich Mohr aus Brande verzeichnet ist. Hörnerkirchen war seinerzeit noch in Barmstedt eingepfarrt. Kirche und Friedhof entstanden in Hörnerkirchen erst 1752, daher dürfte eine Bestattung hier vor Ort vor dieser Zeit ohnehin kaum denkbar erscheinen. Offenkundig handelt es sich aufgrund der verwitterten Schrift um einen nachvollziehbaren Lesefehler: gemeint ist wahrscheinlich 1762, nicht 1702. In diesem Jahr, genauer am 26. April 1762, ist in der Tat im hiesigen kirchlichen Sterberegister ein Hinrich Mohr aus Brande nachgewiesen, und er dürfte demzufolge auf dem „neuen“ Kirchhof beigesetzt worden sein. Es war der Sohn des Baumannes (Hufner/Landwirt) Peter Mohr III aus Bokelsess (Hof Nr. 671) und dessen Ehefrau Anna geb. Hachmann. Er wurde lt. dieser Eintragung 60 Jahre alt, demnach müsste er 1702 geboren sein. Nach dem „Höferegister Mohr“ ist ein Hinrich Mohr tatsächlich am 9. April 1702 in Bokelsess geboren – es „passt“ also. Dieser Hinrich Mohr war seit dem 04.11.1725 verheiratet mit Abel geb. Hoyer (*10.08.1701  † 07.03. 1746) aus Brande (Hof 790). Hinrich Mohr aus Bokelsess heiratete damals demzufolge auf den Hof seiner Frau/Schwiegereltern in Brande ein und übernahm den dortigen Betrieb, daher ist Brande als sein Sterbeort angegeben. Mit dem Sterbejahr 1762 bleibt das Grabmal unverändert das älteste erhaltene Relikt dieses Genres auf dem Hörnerkirchener Kirchhof. Die Ehefrau ist auf dem Grabstein nicht genannt.

In der Mitte der Grabplatte befindet sich in etwas erhabener Form ein Kreismedaillon mit einem Engel der zwei Wappen hält. Linkes Wappen: heraldischer Blütenstamm aus einem Baumstamm entwachsend. Rechtes Wappen: gespaltenes Feld mit halbem Adler und zwei Rosetten. Die Umschrift in Capitale:

CHRISTUS IST MEIN LEBEN UND STERBEN MEIN GEWINN.

Ein Geburtsdatum ist bei Hinrich Mohr überraschenderweise nicht angegeben. Dieses Phänomen versetzt uns in eine Zeit und in eine Denkweise, der wir in ländlichen Kreisen bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts begegnen, hier sogar noch später: Das Geburtsdatum wurde, auch wenn es bekannt war, nicht genannt, weil es vergleichsweise bedeutungslos war. Denn seit der Spätantike galt die Stunde des Todes als die eigentliche Geburt. Endlich, so lässt sich zugespitzt sagen, wurde das irdische Jammertal verlassen und es begann das wahre Leben. Die obige Umschrift auf dem Stein ist eine anschauliche Bestätigung dieses Gedankens.8

Nachfolgend sehen Sie einige Fotos, die während der Arbeiten im August 2019 entstanden sind, und Fotos der fertigen Grabplatten nach Ende der Arbeiten.

Quellen und Anmerkungen

  1. Schacht, Mascha: Wertvoll und spannend. Historische Friedhöfe sind Orte für die Lebenden, in: Bund Heimat und Umwelt in Deutschland: Friedhöfe in Deutschland. Kulturerbe entdecken und gestalten, Kassel 2015, S. 91-95.
  2. Trede, Helmut: Die Hörner Dörfer, Bokel 1989, S. 165, Bezug: LAS Abt. 113 Nr. 212
  3. „Höferegister Mohr“, Unveröffentlichtes Manuskript, Kopien in: LAS Abt. 399.40 Nr. 2; Archiv der Vereinigung für Familienkunde, Elmshorn.
  4. Trede, Helmut: Die Hörner Dörfer, Bokel 1989, S. 66.
  5. Hacker, Karl-Friedrich: Illustrierter Kirchenführer zur Gruft der St. Laurentii-Kirche in   Itzehoe, Itzehoe 2011, S. 65 und 77
  6. DenkMal, Zeitschrift für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, Jahrgang 22, Kiel 2015,56.
  7. Teuchert/Lühning: Die Kunstdenkmäler des Kreises Pinneberg, München/Berlin 1961, S. 104.
  8. Vgl. hierzu: Angenendt, Arnold: Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 4. Auflage, Darmstadt 2009, S. 660, in: DenkMal, Zeitschrift für Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, Kiel 2012, S. 89.